Die „Nationalpolitische Erziehungsanstalt Anhalt“ (abgekürzt NPEA Anhalt, landläufig meist Napola genannt) war eine von 39 Internatsoberschulen, die nach der nationalsozialistischen Machtergreifung von 1933 gegründet wurden. Die in Ballenstedt war der einzige Neubau einer solchen Schule. 1936 war Grundsteinlegung, die Bautätigkeit dauerte viele Jahre. Erst im Oktober 1942 wurde das Lehrgebäude seiner Bestimmung übergeben. In der Elite-Einrichtung wurden bis 1945 mehr als 350 Schüler zu leistungsstarken, linientreuen Nationalsozialisten erzogen. Mit Ende des Dritten Reiches, nach neun Jahren Nutzung, wurde die Napola in Ballenstedt 1945 aufgelöst.
Nach der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik nutzte die staatstragende Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) das Areal als Bezirksparteischule. Von 1956 bis 1989 – also in einer Zeitspanne von 33 Jahren – absolvierten mehr als 16.000 SED-Parteimitglieder aus den DDR-Bezirken Halle(bis 1989) und Magdeburg (bis 1975) dort einjährige Lehrgänge der „Bezirksparteischule Wilhelm Liebknecht“. Während der Zeit des Studiums in Ballenstedt bekamen sie 80 Prozent ihres vorherigen Nettogehalts als Stipendium. Die SED-Bezirksparteischulen hatten die Aufgabe, Nachwuchskräfte ideologisch zu potenziellen Führungskräften im DDR-Partei- und Staatsapparat auszubilden. Sie waren nach der Parteihochschule „Karl Marx“ in Berlin die zweithöchsten Kaderschmieden der Staatspartei.
Auf dem Ziegenberg lernten und wohnten nach Erreichen der geplanten Kapazität gleichzeitig bis 600 Kursteilnehmer. Ab 1979 bis 1989 wurden auch Studenten der regierenden „Arbeiterpartei Äthiopiens“ (WPE) geschult. 1987 gab es an der Bezirksparteischule Ballenstedt 33 Studenten aus Äthiopien und 20 aus dem Sudan.
Das Areal der Bezirksparteischule war ein weitgehend autonomer, eingezäunter und bewachter Campus, der nur mit einem entsprechenden Dokument betreten werden konnte. Personen, die nicht zum rund 150 Mitarbeiter zählenden Kollektiv der Bezirksparteischule – also Lehrer sowie Mitarbeiter zur Gewährleistung der alltäglichen Aufgaben – gehörten, war der Zutritt prinzipiell verwehrt. Das Arbeitspensum für die Lehrgangsteilnehmer lag bei rund 60 Stunden pro Woche (Montag–Freitag). Auf dem Gelände gab es ein Café, ein Klubhaus, einen Lebensmittel- und einen Buchladen, ein Frisörgeschäft sowie eine Sauna.
Die Nähe zur Grenze zur Bundesrepublik Deutschland führte 1966 zur Einbindung der Bezirksparteischule in das Sicherheitssystem der DDR. Aus dem Kreis der Parteischüler wurde ein Kampfgruppen-Bataillon gebildet. Das Gelände wurde komplett undurchlässig eingezäunt, ein Wachdienst mit fünf uniformierten Polizisten sowie 25 bewaffneten Zivilmännern eingeführt und eine Waffenkammer mit Infanteriewaffen, Handgranaten und Fla-MGs für 250 Kämpfer eingerichtet.
Mit der Friedlichen Revolution in der DDR endete noch im November 1989 die Lehrtätigkeit der Bezirksparteischule. Am 1. Juli 1990 übernahm die Stadt Ballenstedt das Areal. Als GmbH startete die Einrichtung mit 120 Mitarbeitern in die Marktwirtschaft. 1991 wurde sie der Treuhand übergeben. Diese investierte in die Modernisierung, sodass die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung des Landes Sachsen-Anhalt einzog und bis 1995 blieb. Teile des Areals sind im Besitz eines österreichischen Investors. Die restlichen Gebäude sind Eigentum der Stadt Ballenstedt. Der ehemalige Speisesaal wird weiterhin genutzt – als Sporthalle für den ortsansässigen Tischtennis- und Karate-Verein. Seit Mitte der 1990er Jahre steht die Anlage unter Denkmalschutz. Die Gesamtnutzung des Gebäudekomplexes ist weiter offen.
Architektur
Der Plan zum nach barocken Gestaltungsprinzipien gestalteten Schulkomplex stammt vom Regierungs- und Baurat Kurt Ehrlich aus Ballenstedt. Das Funktionsensemble umschließt den 140 Meter langen und bis 90 Meter breiten Appellplatz. Lehr- und Wirtschaftsgebäude bilden die Nord-Süd-Abschlüsse. Die zweigeschossigen Internatsgebäude waren mit je zwei nach hinten versetzten Blöcken an den Längsseiten angeordnet – eine für Kasernenbauten nicht unübliche Anordnung. Daraus ergeben sich wohl eher nicht zufällig aus der Vogelperspektive gespiegelte Siegrunen – das Symbol des Deutschen Jungvolkes.
Die Unterrichtsräume im Lehrgebäude sind alle in Richtung Appellplatz ausgerichtet. Im Oktober 1942 wurde das Gebäude seiner Bestimmung übergeben. Mit dem Einzug des Anstaltsleiters und seiner Kanzlei im Juni 1943 fungierte es auch als Verwaltungsgebäude. Nach 1945 wurden die unterschiedlich großen Unterrichtsräume je nach aktuellen Nutzungsanforderungen mehrfach umgebaut und modernisiert. Ein Ring aus Wandelgängen verbindet alle Gebäude des Schulkomplexes: Das Lehrgebäude im Norden, die vier Internatsgebäude im Osten und Westen sowie das Wirtschaftsgebäude im Süden.
Der 36 Meter hohe Glockenturm am Lehrgebäude des Schulkomplexes war in den Anfangsplanungen nicht vorgesehen. Er überragt sogar das Ballenstedter Schloss, das Stammschloss der Askanier, und stellt eine weithin sichtbare Landmarke dar. Für den Campus jedoch ist er tatsächlich funktionslos – abgesehen von den beiden Stahlglocken, die einst in ihm hingen und heute (2016) im Museum Ballenstedt in der Sonderausstellung zum Thema zu sehen sind (ob, wofür und bis in welches Jahr die Glocken genutzt worden sind, ist unklar). Während der Zeit als SED-Bezirksparteischule erhielt der Turm Richtfunk-Antennen.
Nach dem Krieg wurde Kurt Ehrlich erneut auf dem Großen Ziegenberg aktiv: Als mit dem Objekt bestens vertrauter Fachmann hatten ihn die SED-Oberen mit der Planung der Um- und Ausbaumaßnahmen beauftragt. Der Appellplatz wurde mit Koniferen bepflanzt.
Das einstige Herrenhaus auf dem Gelände – die Villa Koch – fungierte ab April 1943 als „Heim III“ und war mit 80 „Jungmannen“ belegt. Während der Nutzung als SED-Bezirksparteischule wurde das Gebäude 1970 zum Klubhaus umgebaut. Die beiden als Internat genutzten Plattenbauten stammen aus dem Jahr 1970.
Quelle Text: Wikipedia.de